Pera-Frangissa • Kampagne 2024

Als 1885 der deut­sche Alter­tums­for­scher Max Ohne­falsch-Rich­ter zufäl­lig im Umland der anti­ken Königs­stadt Tam­assos auf Sta­tuen­res­te stieß, ahn­te er nicht, dass ihm damit einer der spek­ta­ku­lärs­ten Ent­de­ckun­gen sei­ner Zeit gelun­gen war. In nur zwei Wochen leg­te er ein reich aus­ge­stat­te­tes Apol­lon­hei­lig­tum frei, das eine über­bor­den­de Fül­le an Votiv­sta­tu­en barg. Da das Are­al des länd­li­chen Hei­lig­tums nach Abschluss der Arbei­ten mit­samt der nur durch eine Zeich­nung doku­men­tier­ten Sta­tu­en­ba­sen und Mau­ern wie­der voll­stän­dig zuge­schüt­tet wur­de, geriet sei­ne Lage in Vergessenheit.

Jetzt, fast 140 Jah­re spä­ter, liegt das Hei­lig­tum nun erst­ma­lig wie­der offen und steht damit der moder­nen archäo­lo­gi­schen For­schung zur Ver­fü­gung. Dank der Unter­stüt­zung von AMRICHA gräbt ein Team deut­scher Archäo­lo­gen der Uni­ver­si­tä­ten Frank­furt und Kiel / Würz­burg wie­der in Fran­gis­sa. Nach­dem im letz­ten Jahr der Platz der alten Gra­bung durch zwei begrenz­te Son­da­gen ein­deu­tig loka­li­siert wer­den konn­te [wie im hier ver­link­ten Bericht von 2023 nach­ge­le­sen wer­den kann], wur­de 2024 das Hei­lig­tum groß­flä­chig frei­ge­legt. Dabei wur­de die annä­hernd 2 m hohe Auf­fül­lung aus Erde und Stei­nen von Hand abge­tra­gen und sorg­fäl­tig durch­sucht. Es war klar, dass es sich hier­bei um den Abraum der Aus­gra­bung von 1885 han­del­te. Die­ser barg mög­li­cher­wei­se anti­ke Arte­fak­te, die damals über­se­hen oder nicht als wich­tig erach­tet wor­den waren.

Im Zuge der sehr auf­wän­di­gen Arbei­ten wur­den in wei­ten Berei­chen die Ummaue­rung des Wei­he­ge­schenk­ho­fes und über 100 Sta­tu­en­ba­sen von teils kolos­sa­ler Grö­ße auf­ge­deckt. Tat­säch­lich wur­den dann in der Ver­fül­lung des 19. Jahr­hun­derts nicht nur die im Plan ange­deu­te­ten Pos­ta­men­te für Votiv­sta­tu­en, son­dern auch Unmen­gen von Sta­tuen­frag­men­ten selbst gefun­den, etli­che davon von gewal­ti­ger Grö­ße und höchs­ter Qua­li­tät. Die Neu­fun­de von 2024 erwei­tern das Wis­sen über die­sen hei­li­gen Ort grund­le­gend. So kön­nen nicht nur vie­le der 1885 gefun­de­nen Sta­tu­en in den Muse­en von Nico­sia und Toron­to mit neu­ge­fun­de­nen Frag­men­ten ver­voll­stän­digt und so in ihrem ursprüng­li­chen Erschei­nungs­bild wie­der­her­ge­stellt wer­den. Es wur­den auch ganz neue Sta­tu­en­ty­pen doku­men­tiert, die bis­lang aus Fran­gis­sa nicht bekannt waren. Durch den Fund deut­lich über­le­bens­gro­ßer Füße in Schritt­stel­lung kann bei­spiels­wei­se nun die Exis­tenz von kolos­sa­len männ­li­chen Kalk­stein­fi­gu­ren aus archai­scher Zeit (7.–6. Jahr­hun­dert v. Chr.) nach­ge­wie­sen wer­den. Ent­spre­chen­de über­le­bens­gro­ße Figu­ren waren hier in Fran­gis­sa bis­lang nur aus Ter­ra­kot­ta bekannt, dar­un­ter der berühm­te „Koloss von Tam­assos“ in der Aus­stel­lung des Cyprus Muse­um. Dane­ben wur­den auch Bele­ge für ande­re bis­lang nicht über­lie­fer­te Votiv­gat­tun­gen gefun­den, etwa mar­mo­rier­te Glas­per­len oder ägyp­ti­sche Amu­let­te aus Fayence.

Spek­ta­ku­lär ist der Fund von zwei Basen mit Inschrif­ten. Die eine ist mit meh­re­ren loka­len zypro-syl­la­bi­schen Schrift­zei­chen beschrif­tet, wäh­rend für die ande­re eine fili­gra­ne grie­chi­sche Buch­sta­ben­schrift ver­wen­det wur­de. Sie ver­weist auf die Pto­le­mä­er, die hel­le­nis­ti­schen Herr­scher in Ägyp­ten, die seit dem frü­hen 3. Jahr­hun­dert v. Chr. auch Zypern kon­trol­lier­ten. Die dadurch beleg­te Sta­tuen­wei­hung in Fran­gis­sa zeigt, dass das Hei­lig­tum nicht nur in der archai­schen und klas­si­schen Epo­che (7./6. und 5./4. Jahr­hun­dert v. Chr.,), son­dern auch nach Ende die­ser soge­nann­ten Königs­zeit eine wich­ti­ge Rol­le spielte.

Tat­säch­lich wur­de der Kult­platz in die­ser Zeit sogar mas­siv aus­ge­baut, was sich in der Archi­tek­tur nach­voll­zie­hen lässt. Denn in die­ser Zeit wur­de neben dem Weih­ge­schenkraum ein gro­ßer Peristyl­hof neu errich­tet, der wohl für Fest­ban­ket­te diente.

Von die­sem vier­sei­ti­gen Hal­len­bau war bei den Aus­gra­bun­gen Ohne­falsch-Rich­ters nur eine Außen­mau­er frei­ge­legt wor­den, aber nicht als Teil eines umfas­sen­den Bau­kom­ple­xes erkannt wor­den. Daher ist das Are­al die­ses Gebäu­des von moder­nen Ein­grif­fen ver­schont geblie­ben und birgt die Chan­ce, eine unge­stör­te Abfol­ge der stra­ti­gra­phi­schen Schich­ten zu unter­su­chen und so ganz direk­te Ein­bli­cke in die Nut­zung des Gebäu­des zu erlan­gen. In der Kam­pa­gne 2024 wur­den die Dimen­sio­nen eines nach Nor­den rei­chen­den Ein­gangs klar, des­sen Tür­schwel­le bereits 2021 aus­schnitt­haft erfasst wor­den war. Dane­ben besaß der Kom­plex aber offen­bar auch auf der West­sei­te zwei wei­te­re Türen, die bis­lang unbe­kannt waren. Obwohl die­ses Gebäu­de nicht groß­flä­chig frei­ge­legt wur­de, kann es durch gezielt ange­leg­te Son­da­gen in sei­ner Struk­tur nun voll­stän­dig erfasst wer­den. Die nicht unter­such­ten Berei­che wer­den qua­si als Archiv bewahrt, wie dies heu­te an vie­len Aus­gra­bun­gen prak­ti­ziert wird. So erhal­ten auch künf­ti­ge Gene­ra­tio­nen die Mög­lich­keit, mit dann neu ent­wi­ckel­ten Metho­den hier Nach­un­ter­su­chun­gen durchzuführen.

Die Aus­gra­bun­gen in Pera-Fran­gis­sa 2024 haben gro­ße Auf­merk­sam­keit erregt und zahl­rei­che Besu­cher aus Poli­tik, Wis­sen­schaft und Kir­che ange­lockt. So waren neben der zypri­schen Kul­tus­mi­nis­te­rin Dr. V. Kas­sia­ni­dou, dem Direk­tor des Depart­ment of Anti­qui­ties, Dr. G. Geor­giou, der deut­schen Bot­schaf­te­rin in Zypern, Dr. A. Schlimm sowie dem Bischof Por­phy­ri­os zahl­rei­che Ver­tre­ter zypri­scher und inter­na­tio­na­ler Uni­ver­si­tä­ten zu Besuch und haben sich vor Ort über die Arbei­ten infor­miert. Auch Alex­an­der Mali­os, Vor­sit­zen­der von AMRICHA, hat die Aus­gra­bun­gen und das Gra­bungs­haus besucht.

Die Kam­pa­gne unter Lei­tung von Dr. Mat­thi­as Recke (Uni­ver­si­tät Frank­furt) und Prof. Dr. Phil­ipp Kobusch (Uni­ver­si­tät Kiel) dau­er­te vom 5. Sep­tem­ber bis zum 14. Okto­ber 2024. Betei­ligt waren neben Stu­die­ren­den der Uni­ver­si­tät Frank­furt, Kiel, Köln und Stutt­gart auch Stu­den­ten der Cyprus Uni­ver­si­ty in Nico­sia. Die Bestim­mung der Tier­kno­chen erfolg­te durch Dr. Ange­los Had­ji­ko­u­mis (Cyprus Insti­tu­te), die der Fund­ke­ra­mik durch Dr. Anna Geor­gi­a­dou (Uni­ver­si­ty of Cyprus). Neu gewon­nen als Mit­ar­bei­te­rin wur­de Lau­ra Lipcs­ei, Restau­ra­to­rin am Roy­al Onta­rio Muse­um Toron­to (Kana­da). Sie über­nahm die pro­fes­sio­nel­le Kon­ser­vie­rung und Restau­rie­rung der dies­jäh­ri­gen Gra­bungs­fun­de. Durch ihre lang­jäh­ri­ge Arbeit mit den in Toron­to befind­li­chen Fran­gis­sa-Fun­den von 1885 besitzt sie eine aus­ge­wie­se­ne Exper­ti­se. Allen Betei­lig­ten gilt unser herz­lichs­ter Dank.

Die Aus­gra­bun­gen in Fran­gis­sa sol­len 2025 fort­ge­setzt wer­den. Die künf­ti­gen Unter­su­chun­gen ver­spre­chen, wich­ti­ge ver­tief­te Ergeb­nis­se und weit­rei­chen­de Erkennt­nis­se zu gewin­nen, die exem­pla­risch das ritu­el­le Han­deln ver­gan­ge­ner Zei­ten wie­der­erste­hen zu las­sen. Die in die­sem Jahr begon­ne­ne groß­flä­chi­gen Unter­su­chun­gen des Hei­lig­tums wird es ermög­li­chen, den Kult­platz auch in sei­nem ursprüng­li­chen räum­li­chen Set­ting zu sehen. Die For­schun­gen in Fran­gis­sa sind damit über den kon­kre­ten Fund­platz hin­aus für das gesam­te anti­ke Zypern und unser heu­ti­ges Ver­ständ­nis anti­ker Kult­prak­ti­ken von größ­ter Bedeutung.